Zürich ist nicht nur ein wirtschaftliches Zentrum der Schweiz, sondern auch ein Raum mit reichem landwirtschaftlichem und kulinarischem Erbe. Die Veränderungen in der Landwirtschaft spiegeln sich im Landschaftsbild wie auch in den Traditionen und Essgewohnheiten wider. Trotz der Urbanisierung lassen sich alte Sorten, traditionelle Produkte und lokale Spezialitäten wiederentdecken und neu beleben.
Nehmen wir die Stadt Zürich als Beispiel für die Veranschaulichung: Vor hundert Jahren war die Landwirtschaftsfläche im Raum Zürich noch grösser als die Siedlungsfläche. Mit dem stetigen Wachstum der Stadt hat sich dieses Verhältnis drastisch verändert: Heute ist die landwirtschaftlich genutzte Fläche auf ein Viertel zurückgegangen.
Ein weiteres Beispiel für den Wandel ist der Rebbau. Einst prägend für das Zürcher Stadtbild, verschwand er weitgehend durch Missernten und die wachsende Konkurrenz südlicher Weine. Auch Obstbäume – früher fester Bestandteil der Ackerflächen – sind stark zurückgegangen: Von rund 44'000 Bäumen im Jahr 1951 blieben 50 Jahre später noch etwa 4'000 erhalten. Der Rückgang veränderte das Landschaftsbild erheblich und hatte ökologische Folgen. Heute jedoch gibt es wieder Bestrebungen, Obstbäume vermehrt zu pflanzen. Insbesondere das Tösstal zeichnet sich durch eine grosse Artenvielfalt aus, da die Hochstämmer für den Eigenkonsum erhalten wurden.
Mit dem wachsenden Interesse an Regionalität und Nachhaltigkeit erfahren einst verbreitete Kulturpflanzen eine Rückkehr. Die Ackerbohne ist ein Beispiel dafür. Obwohl ihre Bedeutung stark zurückgegangen ist und sie vermehrt als Tierfutter genutzt wurde, wird sie heute – vor allem in der urbanen Gastronomie – als nährstoffreiche, heimische Alternative wiederentdeckt. Der Wandel der Essgewohnheiten schafft Raum für neue Rezepte und Zubereitungen, die an alte Traditionen anknüpfen.
Auch alte Getreidesorten wie Dinkel oder Emmer erleben derzeit eine neue Wertschätzung. Diese robusten Sorten benötigen keine synthetischen Dünger oder Pestizide und tragen zur Biodiversität und Bodenfruchtbarkeit bei. Im Raum Zürich engagieren sich einige Landwirte und Mühlen aktiv für die Erhaltung und Verarbeitung dieser Sorten. Lokale Kleinmühlen spielen dabei eine zentrale Rolle: Sie verarbeiten das Getreide schonend und bewahren durch traditionelle Mahlverfahren die Qualität und den Geschmack des Mehls. Solche Mühlen sind wichtige Partner für Bäckereien, die auf nährstoffreiche, regionale Brote setzen.
Auch süsse Spezialitäten wie die Zürcher Leckerli oder der kunstvoll gestaltete Tirggel sind fester Bestandteil der lokalen Backtradition. Letzterer wurde ursprünglich als Heilmittel eingesetzt, entwickelte sich später zum Luxusprodukt und ist heute eine beliebte Leckerei – besonders in der Adventszeit.
Fermentierte Produkte wie Sauerkraut und Sauerrüben haben eine lange Geschichte in der Region. Sie dienten nicht nur der Konservierung, sondern lieferten in den Wintermonaten wichtige Nährstoffe. Diese traditionellen Konservierungsmethoden erleben heute eine neue Wertschätzung im Kontext gesunder Ernährung und handwerklicher Herstellung. Ab dem Herbst kann das Sauerkraut in Hofläden oder auf Wochenmärkten direkt bezogen werden. Auch kleine Verarbeiter bieten die probiotische Vitaminquelle an.
Die Region Zürich war lange Zeit auch für ihre Kirschbäume und Destillate bekannt. Mit der Vielfalt an Hochstammobstbäumen wurde traditionell Alkohol gebrannt, wie der «Brenzer Kirsch», ein hochwertiger Cuvée aus alten Süsskirschsorten. Dieser Kirschbrand, mit Aromen von Marzipan, Mandel, Schokolade und Zimt, steht sinnbildlich für die reiche Brenntradition.
Ende der 1990er Jahre führte der Import günstiger Kirschen und ausländischer Spirituosen zu einem starken Rückgang der einheimischen Produktion. Viele Hochstammkirschen wurden gefällt, und wertvolles Kulturgut ging verloren. Doch es gibt Gegenbewegungen: Der 2008 gegründete Slow-Food-Förderkreis «Traditioneller Schweizer Brenzerkirsch» setzt sich für die Erhaltung dieser einzigartigen Brennkultur ein. Hochwertige Destillate aus alten Sorten sollen mit dem Presidio erhalten bleiben, und die Produzenten erhalten faire Preise für ihre Erzeugnisse. Auch der Rosoli, ein Kirschlikör, der traditionell innerhalb der Familie von Mutter zu Tochter weitergegeben wird, gehört zu diesem Erbe.
Trotz starker Veränderung lassen sich alte Werte und Geschmäcker neu beleben. Die Wiederentdeckung traditioneller Produkte, die Förderung regionaler, nachhaltiger Landwirtschaft und die Pflege alter Handwerke wie das Mahlen in Kleinmühlen leisten nicht nur einen Beitrag zur kulturellen Identität, sondern auch zu einer nachhaltigeren Zukunft. Es lohnt sich also, kleine Höfe und Verarbeiter aus der Region zu unterstützen.