Inmitten der Hochsaison beim GZPK treffen wir Leonie Hart für ein Gespräch zu unseren diversen Nutzpflanzen. Zur Zeit blühen die Kulturen und die Kreuzungszeit beginnt.
Die GZPK (Biodynamische Pflanzenzüchtung) widmet sich der Entwicklung von robusten, anpassungsfähigen Kulturpflanzen für den ökologischen Landbau. Doch es geht um weit mehr als nur um Ertrag: Im Fokus stehen Ernährungssouveränität, genetische Diversität, regionale Wertschöpfung und die Rückkehr längst vergessener Kulturpflanzen wie Platterbse oder Emmer auf unsere Teller. Ein Einblick in die spannende Arbeit zwischen Landwirtschaft, Wissenschaft und Genuss.
Die gzpk ist ein gemeinnütziger Verein, der sich zum Ziel gesetzt hat, die Nahrungspflanzenvielfalt zu erhalten und zu fördern. Wir züchten neue Sorten, sodass die Landwirtschaft eine Auswahl hat. Heute sind Weizen-, und Dinkel-, Emmer-, Triticalesorten und Populationssorten von Erbsen und Mais von gzpk erhältlich. Das besondere ist, dass wir biologisch und bio-dynamisch züchten. Unser Gründer, Peter Kunz, hatte in den 80er Jahren die Erkenntnis, dass die verfügbaren konventionell-gezüchteten Sorten nicht zu den Anforderungen im Biolandbau passen. Anders als konventionelle Landwirt:innen konnte und wollte der Biolandbau die Pflanzen nicht mit Pflanzenschutzmittel und mineralischem Dünger behandeln. Also brauchte es Pflanzen, die natürlicherweise den Umständen im Bioanbau gewachsen waren und die wenigen angebotenen Nährstoffe in beste Kornqualität umwandeln konnten.
Uns ist es ein Anliegen, dass die Artenvielfalt auf den Äckern erhalten bleibt oder steigt. Also dass zum Beispiel auch Kulturarten wie Emmer, Platterbse und Triticale die Landschaft und die Teller bereichern, obwohl sie nicht zu den sogenannten Cash Crops zählen. Zum anderen ist es unser Ziel, einen Beitrag zur genetischen Vielfalt zu leisten. Das bedeutet, wir möchten, dass Landwirt:innen nicht nur zwischen beispielsweise zwei Dinkelsorten wählen können, sondern vielleicht zwischen vier oder fünf Sorten. Damit sind wir als Landwirtschaft und Gesellschaft besser auf Störungen vorbereitet. Störungen können zum Beispiel neue Krankheiten sein oder Extremwetterevents, die unsere Ernte bedrohen. Eine weitere Variante, die genetische Vielfalt zu erhöhen und einen resilienteren Acker zu schaffen, ist der Anbau von mehreren Sorten auf demselben Feld, oder sogenanntem Ökologischen Heterogenen Materials (ÖHM). Bei einer solchen Aussaat gibt es immer Pflanzen mit unterschiedlichen Stärken. Wo die eine Pflanze gesund ist, wird eine andere krank und macht vielleicht nur kleine Körner. Eine dritte Pflanze macht dafür hervorragende Körner mit hoher Backqualität.
Die Landwirtschaft im Raum Zürich hat sich über die Jahre stark verändert. Während die Stadt früher von zahlreichen landwirtschaftlichen Flächen geprägt war, hat die Urbanisierung dazu geführt, dass die landwirtschaftlich genutzte Fläche stark zurückging. Historische Fotografien zeigen, dass es früher neben Ackerbau und Viehzucht viele Obstgärten, Weinberge und Wiesen gab, insbesondere in den Aussenquartieren. Bei den Nutzpflanzen spielten Flachs und Hanf zur Textilproduktion, und Hirse zur Verarbeitung zu Brei und Brot eine Rolle. Heute haben Gemüsebau und Milchviehhaltung an Bedeutung gewonnen. Bei den Ackerkulturen sind es Winterweizen, Wintergerste, Mais, Kartoffeln, Raps, Zuckerrüben, Sonnenblumen und Soja. Insgesamt gibt es im Kanton Zürich eine Vielzahl an innovativen und experimentierfreudigen landwirtschaftlichen Betrieben. Gestern besuchte ich einen Hof, der Erdnüsse und Sesam ausprobiert.
Aktuell gibt es auf dem Markt eine Nachfrage nach pflanzlichen Proteinen. Im Raum Zürich befinden sich sehr erfolgreiche Hersteller von Fleischalternativen. Sie sind auch ausserhalb der Schweiz bekannt. Erbsen sind ein Rohstoff, den sie regional beschaffen können, sie wachsen gut in Europa. Jedoch gibt es in der Schweiz keine Industrie, die das Erbsenprotein isoliert. Die Hersteller von Fleischalternativen importieren diesen Rohstoff also, und daher werden auch die Erbsen bislang nicht in der Schweiz angebaut. Körnerleguminosen aus der Schweiz sind derzeit zu finden als: Hummus (Erbse, Bohne), in Salzlake eingelegt (z.B. Lupinen, Kichererbsen) oder fermentiert (z.B. Platterbsen Tempeh).
Die Biozüchtung ist vorallem für den Biolandbau wichtig. Aber auch für alle anderen nachhaltigen Anbausysteme, die wenig Pflanzenschutzmittel und Kunstdünger einsetzen, weil sie auf einen holistischen Hofkreislauf setzen. Zu Beginn des Züchtungsprozesses kreuzen wir Elternpflanzen miteinander in der Hoffnung, dass sich in den Folgejahren die gewünschten Eigenschaften zeigen. Der gesamte jahrelange Prozess findet unter den natürlichen Witterungsbedingungen statt. Immer wenn eine Herausforderung auftritt, wie beispielsweise eine Krankheit, Trockenheit, Nässe selektieren wir diejenigen Pflanzen, die dieser Herausforderung besonders gut gewachsen sind. Eine erfolgreiche Sorte hat also über mehrere Jahre gelernt und genetisch abgespeichert, wie sie auf solche Herausforderungen reagieren kann. Das ist der Grund, warum unsere Sorten in einem nass-kalten Jahr wie 2024 so schöne Körner ausbilden und von Müller:inen und Bäcker:innen gelobt werden, während konventionelle Sorten ihr Können viel eher unter perfekten Bedingungen unter Beweis stellen.
Zum einen sind wir stark im Austausch mit Bäuerinnen und Bauern, um zu erfahren welche Bedürfnisse sie an eine bestimmte Kulturpflanze haben. Zum anderen haben wir Projekte bei denen zum Beispiel Hofsorten entwickelt werden oder Bäuer:innen selbst Pflanzen selektieren. Die partizipativen Projekte sind gut geeignet, damit ein bestimmter Hof oder eine bestimmte Region die passende Pflanzen für sich findet. Denn mit jedem Jahr passen sich Pflanzen den lokalen Gegebenheiten besser an, beziehungsweise kann der Mensch die am besten passenden Pflanzen selektieren.
Klassischerweise lässt sich damit gutes Brot backen, sei es mit Sauerteig oder Hefe. Aus Emmer, Dinkel und Triticale lässt sich zudem hervorragende Pasta herstellen. Emmer ist auch beliebt zur Herstellung von Apéro- oder Süssgebäck.
Die sogenannten Körnerleguminosen, oder auch Hülsenfrüchte, gewinnen aktuell wieder an Bedeutung in der Ernährung. Verschiedene Länder haben ihre Ernährungsempfehlungen in den letzten Jahren angepasst, sodass dort Hülsenfrüchte explizit als Eiweisslieferant genannt werden. Wir haben ein Zuchtprogramm für Süsslupine und Körnererbse. Ausserdem experimentieren wir mit Kichererbsen, Platterbsen und Bohnen. Dabei schauen wir uns nicht nur ihre Eignung für die Schweizer Landwirtschaft an, sondern degustieren unterschiedliche Sorten aus der Welt und geben Empfehlungen für ihre Verwendung ab.
Immer wieder Fragen stellen: Aus welcher Produktionsart stammt mein Getreide? Ist der Hof meines Vertrauens Bio und baut er sogar bio-gezüchtete Sorten an? Welche Rohstoffe stecken in meinem Fleischersatzprodukt? Wo kann ich Platterbse verkosten oder einkaufen? Naja, zugegebenermassen, Letzteres ist im Moment noch etwas schwierig herauszufinden, ausser wir starten eine neue Reihe Gastro-Tests. Doch nicht nur das Verkosten, sondern auch das Anschauen unserer Vielfalt ist eindrücklich. In der letzten Juni Woche finden an drei Abenden unsere Zuchtgartenführungen in Feldbach statt. Unsere Events findet man unter www.gzpk.ch. Alle sind herzlich willkommen.
Körnerleguminosen sind in jedem Fall gesund für den Boden und für uns selbst. Meine Antwort ist aber nicht auf Körnerleguminosen beschränkt. Ich würde sagen: Bleiben Sie immer interessiert an Neuem, aber vor allem an regional Produziertem und am besten noch an handwerklich Veredeltem oder Selbstgemachtem.
Danke Leonie für die spannenden Inputs, und weiterhin viel Spass auf dem Feld!
Dr. sc. agr. | Resilient Agroecosystems & Future-oriented Work Procedures in Farming | Projektmanagement & Kommunikation