Kategorie Netzwerk | Mittwoch, 14. Mai 2025
Sarah Asseel ist die Gründerin der Mikrobäckerei Freja in Zürich. Begonnen hat alles vor über zehn Jahren mit einem einfachen Sauerteigbrot für die Nachbarschaft. Heute ist Freja ein Ort des bewussten Genusses und der persönlichen Begegnung – verankert auf dem Oerliker Wochenmarkt. Sarah wollte etwas schaffen, das nährt, verbindet und Raum für echte Nähe bietet – mit natürlichen Zutaten, viel Handarbeit und einem klaren Bekenntnis zu Transparenz, Einfachheit und Verantwortung.
Im Interview spricht die ehemalige Architektin über ihre Philosophie des Brotbackens, ihre Haltung zu fairer und bewusster Ernährung – und darüber, wie sie mit jedem Laib ein Stück echter Esskultur weitergibt.
Slow Food Schweiz: Sarah, was verbindet dich mit Slow Food?
Die Prinzipien von Slow Food – gut, sauber und fair – leben wir bei Freja ganz praktisch. Sauerteig ist für mich das ursprünglichste Slow Food: lebendig, langsam und eigenwillig. Er braucht Aufmerksamkeit, Zeit und Hingabe. Bei uns geschieht jeder Schritt von Hand, nichts wird automatisiert oder standardisiert.
Unser Teig reagiert täglich neu – auf Wetter, Mehl und Temperatur. Wir verbinden dabei Erfahrung, präzise Messungen und wissenschaftliches Wissen über Fermentation mit unserem Gespür für natürliche Variabilität. So entsteht Brot, das nicht nach industrieller Perfektion, sondern nach Authentizität und handwerklicher Genauigkeit strebt. Genau das macht jeden Laib wertvoll und einzigartig.
Unsere Zutaten beziehen wir von Produzent*innen, denen wir vertrauen. Unser Mehl stammt von der Altbachmühle im Fricktal, die eng mit regionalen Landwirt*innen zusammenarbeitet. Olivenöl und Za’atar beziehen wir fair und direkt über Gebana aus Palästina, weitere hochwertige Zutaten liefert uns BioPartner.
Für uns ist Herkunft eine bewusste Entscheidung – geschmacklich, politisch, sozial und kulturell. Damit zeigen wir Solidarität mit den Menschen, die hinter diesen Lebensmitteln stehen.
Diese enge Verbindung zu den Produzent*innen führen wir auf dem Oerliker Wochenmarkt weiter: Dort begegnen wir direkt den Menschen, die unser Brot essen. Der Markt macht den Weg vom Feld über die Mühle und die Backstube bis zum Tisch spürbar und sichtbar. Als Bäcker*innen stehen wir genau in der Mitte – wir übersetzen, erzählen, bauen Brücken. Das ist für mich echte Esskultur.
Gründerin der Mikrobäckerei Freja und Mitglied im Vorstand von Slow Food Zürich Stadt. Mit jedem Laib Brot bringt sie ein Stück gelebte Slow-Food-Philosophie in den Alltag ihres Quartiers.
Was bedeutet für dich gutes, sauberes und faires Essen – und wie zeigt sich das in deiner Geschichte?
Gut bedeutet: nährend, lebendig und mit Charakter – ein Brot, das Freude macht.
Sauber heisst: minimalistisch – nur Mehl, Wasser und Salz. Keine Zusatzstoffe, keine Abkürzungen. Wir setzen auf natürliche Prozesse und Transparenz.
Fair meint: Respekt entlang der gesamten Kette – vom Feld über die Mühle bis in unsere Backstube. Alle Beteiligten sollen fair behandelt und gerecht bezahlt werden, auch unser eigenes Team.
Meine Entscheidung, von der Architektur zum Brotbacken zu wechseln, entstand aus dem Wunsch nach bewussterem, naturbelassenem und gemeinschaftlichem Arbeiten. Bei Freja sind alle Prozesse sichtbar, fühlbar, echt. Wir vermeiden Überschüsse und verwerten Reste kreativ: zum Beispiel als Brotpudding oder Paniermehl, das in neuen Laiben mitgebacken wird – nachhaltig und ohne Verschwendung.
Was inspiriert dich im Moment besonders in Bezug auf Ernährung oder das Ernährungssystem in der Schweiz?
Mich inspiriert, dass immer mehr Menschen ein Bedürfnis haben, langsamer und bewusster zu leben. Essen hat dabei eine grosse Kraft: Es verbindet, schafft Gemeinschaft und lädt zum Innehalten ein. Heute spüren wir stark den Wunsch, Teil von etwas Echtem zu sein – handwerklich, vielfältig und nahbar.
In der Schweiz wächst ein wertvolles Netzwerk kleiner Betriebe und Kooperativen, die lokale Alternativen schaffen. Politische Diskussionen rund um Ernährungssouveränität, Saatgutvielfalt und faire Arbeitsbedingungen gewinnen an Sichtbarkeit – eine Entwicklung, die Mut macht.
Besonders begeistert mich die Rückkehr zu alten Getreidesorten und handwerklicher Fermentation. Jeder Teig ist anders, jeder Laib ein Unikat – genau weil wir nicht kontrollieren, sondern zuhören, reagieren und lernen. Das ist für mich die schönste Form von „slow“: authentisch, lebendig und bewusst.